Vom Geysir aus machen wir uns auf den Weg nach Reykjavík, machen auf dem Weg dahin aber nochmal einen Stopp am Þingvellir-Nationalpark. Hier, an dem Ort, wo die Kontinentalplatten auseinanderbrechen und jedes Jahr etwa zwei Zentimeter weiter driften, spüren wir die Kraft der Erde besonders intensiv. Zwar sind auch hier viele Touristen unterwegs, doch wir nehmen die Menschen kaum wahr – zu stark ist die Energie dieses Ortes. Pielow erklärt uns, dass die gewaltige Zerstörung durch das Auseinanderbrechen der Platten gleichzeitig etwas Neues schafft: Biotope entstehen und damit Landschaften, die es so ohne diesen Bruch nie gegeben hätte. Wir spüren genau in diesem Moment sofort wieder einen Vergleich zu unserer Erkrankung: Wenn etwas auseinanderbricht, entsteht immer auch etwas Neues. Es ist vielleicht anders als zuvor, aber auf seine eigene Weise schön.








Von Þingvellir aus geht es weiter über den Golden Circle Richtung Reykjavík. Je näher wir der Hauptstadt kommen, desto voller, lebendiger und schneller wird es. Nach den einsamen Tagen im Hochland empfinden wir diese Hektik zwischendurch als etwas fordernd und wir müssen uns erst einmal wieder an diese Menschenmengen gewöhnen. Unser Campingplatz liegt nicht weit vom Zentrum, ist groß und sehr gut organisiert. Von dort aus fahren wir direkt hinein in die Stadt und lassen uns treiben. An der Promenade entlang entdecken wir Reykjavík in seiner bunten, offenen und toleranten Vielfalt. Kreuzfahrtschiffe haben wieder unzählige Besuchende ausgespuckt, doch die Stadt selbst wirkt trotzdem charmant, lebendig und herzlich einladend.
Ein besonderer Moment geschieht, als Silke plötzlich innehält und über uns einen Sonnenhalo entdeckt – einen riesigen Ring um die Sonne, den außer uns kaum jemand wahrzunehmen scheint. Für uns ist es das ein Zeichen, dass uns die Stadt begrüßt. Sonnenhalos gelten als Glücksbringer und werden oft als Symbole der Transformation gedeutet. Transformation und Veränderung haben uns in den letzten Jahren sehr begleitet, durch Krankheit, Heilung und die neuen Wege, die wir gefunden haben. Durch diese Tranformationen, die wir selbst so hautnah erlebt haben, nehmen wir das Hier und Jetzt noch viel intensiver wahr und nehmen uns mehr Zeit für die Natur, für das Leben und besonders für uns selbst.







Wir schlendern weiter durch kleine, gemütliche Läden, steigen hinauf zur Hallgrímskirkja und stoppen bei Jürgens Lieblingsbäcker „Braud & Co.“ in der Hoffnung auf eine Zimtschnecke, doch leider ist schon alles ausverkauft. Stattdessen zieht es uns in die Harpa, deren Glasfassade uns sofort in den Bann zieht. Die besondere Konstruktion der Fenster lässt das Licht tanzen und macht die Konzerthalle zu ganz einem eigenen Kunstwerk. Zurück auf dem Campingplatz lassen wir den Abend mit Pielow ausklingen. Es ist der letzte gemeinsame Abend, und so schwingt neben Freude und Wärme auch ein leiser Abschiedston mit. Doch wie immer auf dieser Reise bleibt die Erkenntnis: jedes Ende ist zugleich ein Anfang – genau wie in Þingvellir, wo etwas auseinandergeht und Neues wachsen darf.


