Von Akureyri brechen wir an diesem Tag mit dem Begleitfahrzeug, auf das wir unsere Fahrräder gespannt haben, auf ins Hochland – oder wie wir es später nennen werden: einmal zum Mond und zurück. Nach dem Zusammenpacken starten wir relativ spät, rollen über die Ringstraße hinaus aus der Stadt, bis wir den Abzweig ins Hochland erreichen. Zuerst führt die Straße noch durch weites, grünes Land. Links und rechts erheben sich Berge, imposant und doch einladend, und wir begegnen ein paar Radfahrerenden, die mutig auf ihrer ganz eigenen Herausforderung unterwegs sind.
Dann biegen wir ab auf die Schotterstraße F35: unser Tor ins Hochland. Schon nach den ersten Kilometern wird klar, dass diese Strecke wieder sehr anspruchsvoll wird. Wir müssen vorsichtiger fahren, die Steigung nimmt zu und Stück für Stück bleibt die Vegetation zurück, bis schließlich nur noch Moos, Steine, Schotter und Schlaglöcher bleiben, nur ab und zu taucht ein einsames Hinweisschild auf. Die Luft ist unglaublich klar und doch wirkt alles an diesem Ort fremd und rau. Über viele Jahre hat sich hier oben ein zarter grüner Moos-Teppich entwickelt, aber ansonsten fühlen wir uns wie auf einem anderen Planeten – oben eben auf dem Mond.


Oben auf der Hochebene erwischt uns das Wetter. Regen setzt ein und vermischt sich mit so heftigen Windböen, dass wir innerhalb von Minuten völlig durchnässt sind. Und doch ist da dieses Highlight, das unsere Laune sofort aufhellt: der Blick auf einen riesigen See, der wie ein Spiegel mitten in der steinernen Wüste liegt. Auf der weiteren Schotterpiste begegnen wir einer Gruppe wagemutiger Radfahrerenden, die ihre Challenge trotz strömendem Regen fortsetzen. Bewundernswert, aber auch ein bisschen verrückt, genauso wie wir.


Schließlich erreichen wir Hveravellir, einen Ort genau zwischen den beiden großen Gletschern. Eiskalt schlägt uns der Wind entgegen, so stark, dass wir die Zelte nicht aufbauen können, weshalb wir uns spontan ein Zimmer in einer einsamen Hütte nehmen. Wir haben Glück: trotz des französischen Paares, dass dort auf der obersten Etage unterkommt, haben wir einen Schlafraum ganz für uns allein. Was für ein Geschenk, nach diesem Tag in Wärme und Trockenheit anzukommen!




Glücklich schlürfen wir unsere Tütensuppe, kriechen in die Betten und lauschen dem Regen und Sturm, der draußen vor dem Fenster wütet. Durch das Fenster fällt unser Blick noch einmal ins Hochland, das in seiner Besonderheit wie ein Gleichnis wirkt: Manchmal ist die Reise sehr schwer, genauso wie die Krankheit, und es fühlt sich wie ein Zeichen von Schwäche an, Hilfe anzunehmen. Dabei muss man gar nicht alles allein schaffen. Und manchmal hat man Glück und findet irgendwo im Nirgendwo eine helfende Hand – oder eben eine einsame Hütte in Island. So fallen wir zufrieden in den Schlaf und sind dankbar für Dach, Decken und die Erkenntnis, dass Unterstützung anzunehmen manchmal eine noch größere Stärke ist als das Durchhalten selbst.