Als wir an diesem Morgen aus unseren Zelten steigen und in einen regenverhangenen Himmel schauen, entscheiden wir spontan, die Räder heute stehen zu lassen und einen Ausflug mit dem Begleitfahrzeug zu machen. Obwohl wir gemeinsam mit Pielow, Johanna und Mirja in Island sind, haben wir uns bisher nur zum Frühstück oder fürs Abendessen gesehen, sodass wir uns heute auf einen Tag freuen, den wir alle zusammen verbringen. Wir wollen das Tal von Ásbyrgi genauer erkunden und schon nach den ersten Schritten hinein in den Canyon merken wir, dass wir in einer Landschaft stehen, die Geschichten erzählt. Die Schlucht verändert ständig ihre Form, und wirkt wie ein gigantischer Hufabdruck – angeblich soll es Sleipnir gewesen sein, Odins achtbeiniges Pferd, das hier die Erde berührte. In der Mitte erhebt sich ein Felsen wie eine kleine Insel, umgeben von hohen Wänden, und am Ende erwartet uns ein stiller See, der so idyllisch daliegt, dass man fast vergisst, wie rau Island sonst ist. Sogar Entenküken schwimmen in dem klaren Wasser.

Später fahren wir weiter zum Dettifoss. Schon der Weg dorthin führt uns mit dem Auto durch eine Mondlandschaft aus scharfkantigen Steinen und karger Vegetation, die absolut unwirklich wirkt. Doch nichts bereitet uns auf die Wucht des Wasserfalls vor: Massen von Wasser stürzen jede Sekunde tosend in die Tiefe, eine Naturgewalt, die uns schier den Atem raubt. Für Silke ist es wie ein Energieschub: sie steht da, strahlend, und lässt sich von der Lebendigkeit des Wasserfalls mitreißen. Die Wassermassen wirken so kraftvoll, dass es fast so aussieht, als würden Pferde aus ihm herausspringen.

Unsere Reise führt uns weiter zu den Solfataren, ein Ort, der an eine wahrhaftige Hexenküche erinnert. Es blubbert, dampft und zischt, die Luft ist schwer vom Geruch nach Schwefel, und überall leuchten die Böden in Ocker- und Brauntönen. Für Jürgen ist es, als würde ein ganzer Berg kochen und sein Innerstes nach außen kehren. Er erzählt im selben Moment von einer seiner Operationen: wie der Professor seine Organe entnehmen musste, um an die Bauchspeicheldrüse zu kommen, die in Rückennähe liegt, die Organe auf einen Tisch legte, alles ordnete, heil machte und sie wieder zurücklegte. So wie der Berg, der mit all seiner Hitze arbeitet, dampft, blubbert, aber am Ende doch in seinem eigenen, besonderen Gleichgewicht bleibt.

Es ist ein Tag voller Energie und voller Eindrücke, die uns gleichzeitig erschöpfen und stärken. Wir machen einen Abstecher nach Mývatn, bevor wir unsere Vorräte im Supermarkt aufstocken und den Heimweg antreten. Zurück auf dem Campingplatz stehen wir im strömenden Regen, die Zelte klatschnass und die Kälte kriecht uns in die Knochen. Als ob es noch nicht genug wäre, meldet sich auch noch das Begleitauto mit einem Platten. Island prüft uns immer wieder und trotzdem tragen wir die Kraft dieses besonderen Tages in uns weiter.